KÜNSTLERPavel Schmidt
Pavel Schmidt ist 1956 in Pressburg (CSSR) geboren, unternahm mit seinem Eltern nach Mexiko, bis diese sich 1968 in der Schweiz niederließen.
Nach seinem Studium an der Münchner Akademie der Bildenden Künste wird er 1987 Assistent von Daniel Spoerri. Hier beginnt seine Arbeit mit Assemblagen aus gefundenen Objekten. Er ist ein dauerhaft und notwendig Reisender im europäischen Raum und als kulturkritischer Bilderstürmer und Mythen-Schöpfer, als Objektkünstlern und Malern unterwegs. Sowohl in Spoerris Garten bei Seggiano als auch im Garten Paul Wiedmers bei Civitella d`Agliano ist er mit großen plastischen Arbeiten vertreten. Im Sommer 2008 präsentiert er im Museum Tinguely in Basel eine große Einzelausstellung retrospektiven Zuschnitts sowie im Jüdischen Museum Berlin eine grafische Annäherung an das Werk Kafkas. Im Jüdischen Museum in Hohenems/Österreich zeigt er zeitgleich unter dem Titel ‚Partikel-Gestöber’ Skulpturen im Spannungsfeld zwischen klassischen Bildungsideal und kitschiger Sinnentleerung.
Pavel Schmidt „sampelt“ klischee- und kitschträchtige Massenerzeugnisse, wobei die Enge seines Vokabulars mit wiederkehrenden Figuren, wie Michelangelos David oder Botticellis Venus auffällt. Deren ‚hoch-kulturell“ bedingte Bedeutungen bricht er durch die Kombinationen mit anderen, oftmals banales Gegenständen auf, etwa einem Gartenzwerg.
Oftmals fragmentiert er diese Kunststeinfiguren durch Sprengungen und pyrotechnische Eingriffe, zerstört in einem grausamen anmutenden Akt deren kulturelle Konnotationen als wolle er neue Buchstaben und Welten erfinden, führt die Fetischisierung des Bruchstücks ein, konterkariert dies mit Sockeln und Säulen, Versatzstücken klassischer Skulptur. So setzt er neue, bizarre Figurationen zusammen, deren Adaption und Entschlüsselung nicht ohne Humor gelingen kann. Das klärende Wort in Titeln und Texten zu seinen Werken ist Begründung und Verweis, unabdingbar allemal, denn es zeigt ihn als einen Geschichtenerzähler, der mit vielsprachiger und die mythologischen Urgründe des Menschen ergründender Wortgewalt nach deren überzeitlichen Gültigkeit fragt.
In Oberasbach steht seit Anfang August des Jahres 2008 vor dem Stammhaus der Firma Spitzbart die Arbeit‚Blitz die Treppe herabsteigend’, die im Titel den Bezug zu Duchamps‚Nu descendant un escalier’ von 1913 herstellt. Ein in den Himmel gerichteten Blitzableiter, ein Schutz vor himmlischen Mächten, wirkt doch eher, wie eine Gerätschaft, die den Blitz über eine spiralige Treppe führt und im drehenden Sog anzieht. Und tatsächlich ist dem so. Daneben stehen Botticellis Venus und Michelangelos David, durch einen Kupferdraht – den Blitz – verbunden, der ihren Unterleib und Kopf durchstößt. Der Untertitel der Arbeit ‚Liebesblitz – Lebensgefahr, Coup de fondre – danger de mort’ beschreibt den Moment, in dem es zwischen den Beiden funkt, und warnt zugleich vor der Gefahr, die das Zusammentreffens ihrer Polarität birgt. Pavel Schmidt erzählt mit seinen beiden Gestalten von Gegensatzpaar, von Frau und Mann, von Gefühl und Vernunft, Leben und Tod, Freude und Leid, Kultur und Natur und spielt damit auf eine Vielzahl mythologischer Geschichten. Doch er zerbricht auch die Perfektion und die Erhabenheit der menschlichen Gestalt, die von der Sehnsucht nach Unsterblichkeit spricht, durch den sich zwischen ihnen windenden, ja schlangenhaften Blitz, der sie zugleich aneinander fesselt, wollten sie auch auseinanderstreben. Unfassbar ist die Trennlinie zwischen Hochkultur und Profanität, von Reliquie und „objet trouvé“, von High und Low, während die Vielfalt der möglichen und neu entstehenden Deut- und Denkmuster in Pavel Schmidts Arbeit sichtbar wird und Gestalt erhält.